MARY'S COMiC (Wave Pop) - Ü30 Party
(Andreas)
Hinter Mary's Comic verbirgt sich der musikalische Kopf von In my Rosary (Ralf Jesek). Musikalisch lässt Ralf den guten alten 80er E-Wave wieder aufleben. Er kredenzt trotzdem ein Werk, was sich nicht unbedingt als altbacken beschreiben lässt, denn ganz dezent und fast unbemerkt lässt er moderne Dark Pop Strukturen in die Songs fliessen. Vor 5 Jahren verstarb eine Legende, mit Mary's Comic lebt ein Teil dieser Legende weiter. Auflösung übrigens im Interview.
Wie entstand die Idee zum Solo Projekt?
Lustigerweise nach einem IN MY ROSARY-Konzert in Kopenhagen, als mich eine nette Frau namens Pernille auf die Idee brachte, mal wieder ein etwas mehr elektronisches Stück zu schreiben. Und während ich im Studio saß, fielen mir dann plötzlich verschiedene Sachen ein, die sich über die Jahre hinweg so angesammelt hatten. Ursprünglich sollte MARY's COMiC ja ein rein virtuelles Projekt werden, d.h. ich wollte lediglich ab und zu einen Song auf einer Homepage zum Download anbieten. Aber dann nahm das Ganze derart konkrete Züge an, dass ich es doch in Albumform packen wollte. Und weil zu der Zeit gerade Dirks Schreibblockade die Arbeit am neuen IN MY ROSARY-Album verzögerte, habe ich die Zwangspause genutzt und "Perfect Vacation" fertiggestellt.
Gab es Gründe, dass es sich hierbei um komplett andere Musik handeln sollte?
Zum einen wäre es natürlich langweilig gewesen, wenn MARY's COMiC genau wie IN MY ROSARY oder DERRIERE LE MIROIR geklungen hätte, zum anderen befand ich mich zu dem Zeitpunkt ja, wie erwähnt, bereits in den Aufnahmen zum neuen IN MY ROSARY-Album. D.h. stilistisch kam das sowieso nicht mehr in Frage. Aber trotzdem steckte da jetzt nicht wirklich ein konkreter Plan dahinter. Ich habe einfach ein paar alte Textfragmente und Ideen rausgekramt und geguckt, was dabei rauskommt.
Nicht nur wegen der vorwiegend analogen Elektronik ist ein typisches 80er Werk entstanden. Wo liegen für dich die Vorzüge dieser, auf dem ersten Ohr doch recht einfachen Musik?
Eben genau in ihrer Einfachheit. Gerade dieser Ein-Finger-Synthpop der frühen 1980er hat mich damals sehr beeindruckt. Ähnlich wie im Punk ging es da nicht um ausgefeilte Produktionseinheiten, die in teuren Studios entwickelt wurden, sondern um die Essenz. Und das fand ich immer sehr schön. Das Aufblasen von Liedern hat mich noch nie interessiert. In einer meiner ersten Bands gab es beispielsweise öfters heftige Diskussionen, da die anderen unbedingt die Songstrukturen "interessanter" gestalten wollten. Glücklicherweise waren wir damals aber viel zu schlecht, um die vorgeschlagenen Ideen umzusetzen. Danke übrigens für das "auf dem ersten Ohr" ;-)
Kannst du uns mal ein wenig näher in Projektname und Albumtitel einweihen?
1987, nachdem sich mein Schulprojekt T:H:E aufgelöst hatte, habe ich zum Spaß ein Demo mit vier Titeln aufgenommen, von denen einer "Mary's Comic" hieß - wobei ich jetzt so spontan gar nicht mehr weiß, um was es in diesem Song eigentlich ging. Jedenfalls brauchte ich zur Cassettenbeschriftung einen Projektnamen und weil "Mary's Comic" der erste Titel war, habe ich das Projekt eben genauso genannt. Mit diesem Tape war das Projekt aber auch schon wieder beendet. Erst 2000, als wir einen Sampler für unser Label kompiliert haben, habe ich den Namen nochmal ausgegraben. Und als es dann um einen Namen für das neue Projekt ging, hielt ich "Mary's Comic" für eine hübsche zeitliche Klammer.
Den Albumtitel habe ich aus zweierlei Gründen gewählt. Zum einen stellt das Album für mich eine Art Urlaub von IN MY ROSARY im speziellen und vom Dark Wave im allgemeinen dar, zum anderen sind die meisten Texte, zumindest fragmentarisch, tatsächlich während diverser Urlaubsaufenthalte entstanden. Das hat einfach gepasst. Anfangs hatte ich auch noch die Idee, dass die Worte "perfect" und "vacation" in jedem Text auftauchen sollten, aber das fand ich dann doch zu albern.
Gerade im dunklen Bereich hat sich die elektronische Musik in den frühen 80ern entwickelt. Wie würdest du die Entwicklung von Kraftwerk zu EBM und Synth Pop beschreiben?
Oops, da müsstest du wohl eher einen Musikhistoriker fragen. Ich meine, wenn man böse wäre, könnte man behaupten, dass sich eigentlich seit den frühen 1980ern nicht mehr viel geändert hat. Natürlich sind die Produktionsmöglichkeiten besser geworden, man hat zusätzliche Musikstile integriert und hat das jeweilige Erscheinungsbild spezifiziert, aber letztendlich fußt alles immer noch auf derselben Idee. Es gibt heute eigentlich nichts, was CABARET VOLTAIRE nicht schon vor 25 Jahren versucht hätten. Ausser natürlich die Vermischung von EuroDance-GroßraumDisco und Electro unter dem Namen "Futurepop". Aber wie gesagt, dass ist jetzt sehr, sehr, seeeehr vereinfacht.
Gibt es für dich "Vorbilder", welche sowohl die Musik von Mary's Comic als auch von In my Rosery verbinden?
Die ganzen 1980er New und Dark Wave-"Stars" haben mich natürlich geprägt. Und ich denke, dass man Acts wie THE CURE, FAD GADGET und so weiter durchaus aus beiden Projekten heraushören kann. Nicht umsonst wurden IN MY ROSARY beispielsweise mal als "die Synthpopband des Darkfolks" bezeichnet und werden in Russland gerne mit DEPECHE MODE verglichen - was ich jetzt zwar nicht vollständig nachvollziehen kann, was aber eine wirklich große Ehre ist.
Auf der CD sind reichlich Songs, welche in abgefuckten 80er Discos zu kleinen Club Hits aufsteigen könnten, wie viel Nostalgie steckt in den Songs?
Beim Schreiben respektive Produzieren der Songs waren nostalgische Gedanken überhaupt nicht mit im Spiel. Ich versuchte ja nicht zu klingen wie irgendetwas bestimmtes, sondern wollte "lediglich" meine Ideen umzusetzen. Dass das Ergebnis dann vielfach doch sehr retro geworden ist, heißt nicht unbedingt, dass ich vergangenen Zeiten nachtrauere, sondern dass es für mich in dem Moment einfach stimmig war. Oder dass ich gerade keine anderen Instrumente zur Verfügung hatte...
Falls da dann nostalgische Gefühle aufkommen sollten, sind sie natürlich trotzdem herzlich willkommen. Und in abgefuckten 80er Jahre Discos gespielt zu werden, fände ich auch klasse. Noch besser wären allerdings Ü30-Parties, so zwischen Tears For Fears und Nena.
Meist sind deine Songs in Englisch, glaubst du hier besser zurechtzukommen, weil die deutsche Sprache doch ein wenig zu direkt klingt?
Natürlich kann man sich hinter englischen Texten besser verstecken. Und weil ja meine Songs grundsätzlich englisch geprägt sind, sind auch die Blindtexte, die ich während des Komponierens benutze, immer in englischer Sprache. Aber da ich diesmal sowieso versucht habe, möglichst direkte Texte zu schreiben, d.h. ohne großartige lyrische Überhöhung oder pathetische Bildersprache auszukommen, fand ich es interessant, dies auch in Deutsch auszuprobieren. Lustigerweise habe ich hierfür von Literaten recht viel Lob bekommen, während die Gothics damit überhaupt nichts anfangen können. Wie gesagt, es war ein Experiment. Und ich weiß noch nicht, ob ich es wiederholen werde.
Welche Bedeutung haben überhaupt deine Texte in Verbindung mit der Musik?
Prinzipiell sind die Texte natürlich insofern wichtig, da sie die Stimmung der Musik auch auf einer anderen Ebene greifbar machen sollen. Deshalb versuche ich da auch jeweils eine für mich entsprechende Sprache zu finden. Aber da ich vor allem Musiker bin, hat die Musik bei mir einen etwas höheren Stellenwert. Deshalb ist es auch sehr angenehm, dass bei IN MY ROSARY Dirk den größten Teil der Texte schreibt. Obwohl das dann ja wieder die Arbeit an MARY's COMiC erschwert hat, weil ich vor zehn Jahren das letzte Mal ein komplettes Album "betextet" habe und ich es sozusagen erst wieder lernen musste.
Wieviel Selbsterfahrung steckt in "ich habe Angst"?
Eigentlich nur die Erfahrung, die jeder macht, wenn er die Nachrichten ansieht oder sich die verqueren Gedankengänge von Leuten wie Bush oder Schäuble anhören muss. Die Taktik, Menschen durch gezielte Informationen in permanente Angst zu versetzen, um Demokratieabbau betreiben, und politische und kommerzielle Ziele leichter verfolgen zu können, ist widerlich. Und dass sich der Großteil der Medien dafür instrumentalisieren lässt, ist einfach unglaublich. Man läßt den Terror heute genauso vor der Tür stehen wie damals "den Russen" und sorgt so dafür, dass Politik und Wirtschaft davon profitieren können.
Nimmt man mal die 3 letzten älteren Songs außer Acht, könnte man davon ausgehen, dass "This is" (Titel 1) "die Antwort" (Titel 13) einen geschlossenen Inhalt besitzen, ist dem so?
Oh, sehr gut erkannt! Danke. Grob gesagt ist "Perfect Vacation" ein egozentrisches Konzeptalbum, dass meine diversen Probleme mit dieser Welt beschreibt und am Ende in der Antwort mündet, dass sich immer alles nur auf einen selbst reduziert. Existenzialismus light, sozusagen.
"French Hotel rooms" und "Like home" wurden bereits 1987 produziert, warum trittst du erst jetzt damit ans musikalische Tageslicht?
Um genau zu sein, muss man erwähnen, dass die beiden Titel zwar vom 1987er Demo-Tape stammen, aber 1993 nochmal neu aufgenommen wurden, da sich das Cassettenband schon nahezu aufgelöst hatte und ich die Songs nicht verlieren wollte. Unglücklicherweise war bei dem Stück "Mary's Comic" rein gar nichts mehr zu erkennen gewesen, weswegen dieses unwiderruflich verschwunden ist. Zudem wurde "Like Home" bereits 2000 auf dem Sampler "The Blisz Compilation" veröffentlicht, womit dieser Titel seine Jungfräulichkeit ja doch schon verloren hat. Aber ansonsten hat für eine Veröffentlichung einfach der Rahmen gefehlt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand einfach so dafür interessiert hätte. Und zu DERRIERE LE MIROIR oder IN MY ROSARY hätten sie definitiv nicht gepasst.
Gibt es Liveauftritte und mit wem würdest du gerne deine Bühne teilen?
Anfangs sollte das Album ja auf dem Label von Christian Dörge (SYRIA) erscheinen und da bestand der Plan, nach Veröffentlichung gemeinsam auf Tour zu gehen. Nachdem er dann allerdings aufgrund von persönlichen Gründen sowohl sein Label als auch SYRIA aufgegeben hatte, war dieses natürlich erledigt. Danach war ich damit beschäftigt, ein neues Label zu finden, und im Moment hat wieder IN MY ROSARY Priorität, sprich: ich habe leider keine Zeit mich, um irgendwelche Auftrittsmöglichkeiten zu kümmern. Wobei ich aber schon gerne mal mit MARY's COMiC auftreten würde. Am liebsten als Support. Ein kompaktes 30-Minuten-Set und sehen, wie die Leute reagieren. Das könnte Spaß machen. Mit wem, wäre eigentlich egal.
Beschreib einem MTViva Moderator bitte deine Musik?
Oh, das wäre schwierig, weil meine Musik ja nicht wirklich in deren Format passt und sie mich beim späteren Anhören bestimmt der Lüge bezichtigen würden - egal, was ich gesagt hätte. Insofern ganz neutral: PostNewWave mit leicht dunkler Note und ohne Kajal.